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Gedenken an die Wernecker Opfer der Euthanasie

Intensive Recherchen von Mitarbeitern des psychiatrischen Bezirkskrankenhauses in Werneck brachten Anfang der 1990er Jahre an die Öffentlichkeit, dass auch viele Patientinnen und Patienten der ehemaligen Wernecker Heil- und Pflegeanstalt Opfer von Zwangssterilisation, Euthanasie und Verschleppung wurden. 

Ein vom Bildhauer Julian Walter (Vasbühl) geschaffener Gedenkstein erinnert seit 1996 im Schlosspark an die Wernecker Opfer, die in den Augen der Nationalsozialisten aufgrund ihrer Krankheiten und Behinderungen lebensunwerte Menschen waren und deshalb in Tötungsanstalten ermordet wurden.

Seitdem gibt es am Tag der Deutschen Einheit am Mahnmal auch eine jährliche Gedenkfeier, zu der Klaus Schröder im Namen der Menschenrechts-Initiative "PAXan" gut 40 Besucherinnen und Besucher begrüßen konnte.

In seiner Gedenkrede erinnerte Professor Maximilian Gahr, seit einem Jahr Ärztlicher Direktor der psychiatrischen Bezirksklink, daran, wie auch die Wernecker Anstalt in das menschenverachtende Denken und Handeln der Nazis und ihre Rassenideologie einbezogen war. Den Grundstein für die systematische Ermordung legte Hitlers Erlass vom September 1939, der ausgewählten Ärzten die Befugnis gab, "nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranke bei kritischer Beurteilung ihres Krankheitszustandes den Gnadentod zu gewähren".

Systematische Ermordung

Unter der Tarnbezeichnung "Aktion T4" organisierten die Nazis ab 1939 von Berlin aus im ganzen Reichsgebiet die systematische Ermordung Behinderter. Dazu erhielt im Sommer 1940 auch die Wernecker Anstalt Meldebögen zur lückenlosen Erfassung ihrer Patienten. Am 3. Oktober 1940 begann auf Anordnung des Würzburger Gauleiters Hellmuth die Räumung der Anstalt. Innerhalb von vier Tagen wurden 760 Männer und Frauen abtransportiert, die meisten zunächst in die Heil- und Pflegeanstalt nach Lohr verlegt. Die Hälfte von ihnen wurde schließlich Opfer der Euthanasie und in Tötungsanlagen vergast. Der Verbleib vieler anderer ist unbekannt.

Nach 1945 habe sich die Gesellschaft in Deutschland sehr schnell darauf geeinigt, dass jedes Leben lebenswert ist, sagte Gahr. Die medizinische Behandlung psychisch kranker Menschen blieb aber bis vor wenigen Jahren in gewisser Weise ein rechtsfreier Raum. So mussten bis 2009 psychisch kranke Menschen, die in Anstalten untergebracht waren, Anlassbehandlungen ohne ihre Zustimmung erdulden. Heute sei bei eingeschränkter Selbstbestimmungsfähigkeit für solche Behandlungen eine richterliche Genehmigung nötig und die Vermeidung von Zwang ist gesetzlich geregelt.

Ein kontinuierlicher Prozess

Dies zeige, dass die Entwicklung einer adäquaten Haltung gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen ein kontinuierlicher Prozess ist, der immer wieder die Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen erfordert. Als aktuelles Beispiel nannte Gahr das Tabuthema der Tötung auf Verlangen. Die Gedenkstunde am 3. Oktober soll deshalb zum einen an die Opfer der Euthanasie erinnern, aber auch daran, dass wir uns als Gesellschaft eine ethisch tragbare Haltung gegenüber abweichendem Verhalten, wie es bei psychischen Erkrankungen oft vorkommt, aneignen müssen.

Eine besondere Herausforderung war bei der Gedenkstunde diesmal das Wetter. Mit Beginn der Veranstaltung setzte ein ausdauernder Wolkenbruch ein und ließ die Teilnehmer unter ihren Regenschirmen zusammen rücken. Auch Benedikt Heinrich, Musiktherapeut der Klinik, trotzte mit seiner Trompete dem Regen und sorgte für den musikalischen Rahmen. Mit einer Gedenkminute und dem Niederlegen von weißen Rosen am Mahnmal ging die etwas kürzer gehaltene Feier zu Ende.

Mainpost-Artikel von Gerald Gerstner, 05.10.2023